Während hierzulande Diskussionen um eine Bargeld-Obergrenze für Aufruhr sorgen, hat das digitale Zahlen im nordamerikanischen und skandinavischen Raum schon lange die Bargeldzahlungen überholt. Die Digitalisierung und neue Zahlungsformen, etwa mittels Smartphone, verstärken auch in Österreich den Trend in Richtung bargeldlosen Geldverkehr.
Kontaktloses Bezahlen durch NFC-Funktion, Freunden Geld per Smartphone-App überweisen – in den letzten Jahren haben sich immer mehr Dienste in Österreich etabliert, die das bargeldlose Bezahlen erleichtern sollen. Aber trotz der zahlreichen Angebote: Österreich bleibt eine überdurchschnittlich bargeldaffine Nation. Nur rund 20 Prozent aller Transaktionen werden bargeldlos erledigt. Zum Vergleich: in den skandinavischen Ländern liegt der Anteil bei über 90 Prozent.
Skandinavien gilt europaweit als Vorreiter. Ob Bildungssystem oder Elternzeit – in vielerlei Hinsicht gilt der Norden dem Rest Europas seit langem als Vorbild. Was den nahezu kompletten Verzicht auf Bargeld angeht, scheiden sich aber die Geister. Während in Schweden etwa selbst in der Kirche Bankomaten zur digitalen Bezahlung der Kollekte zur Verfügung stehen, hängen die Österreicher an ihrem Bargeld. Eine Vorliebe, die sie übrigens mit ihren deutschen Nachbarn teilen.
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EU-Diskussion um Bargeld-Obergrenze
Die in der EU geführten Diskussionen um die Zukunft des Bargeldes sorgten daher in letzter Zeit immer wieder für Schlagzeilen. Viele trieb sogar die Sorge umher, die EU plane schrittweise eine komplette Abschaffung von Bargeld. Ganz so drastisch sehen die aktuellen Überlegungen nicht aus. Richtig ist, dass die Verwendung von Bargeld innerhalb der europäischen Union kritisch diskutiert wird – eine Abschaffung stand allerdings nie zur Debatte. Gegenstand der aktuellen Forderungen ist jedoch die EU-weite Einführung einer Bargeld-Obergrenze.
Dabei geht es weniger um persönliche Vorlieben und die Frage, wie praktisch die eine oder andere Zahlweise ist. Hauptargument der Kommission ist vor allem der Kampf gegen Terrorfinanzierung und Geldwäsche. Um dem entgegenzutreten, müsse die Möglichkeit zur anonymen Zahlung großer Summen eingeschränkt werden. Im Zuge dessen wurde bereits die Abschaffung des 500-Euro-Scheins beschlossen. Besonders in Österreich und Deutschland sorgte diese Entscheidung für Diskussionen. Außerdem gilt in der EU-Zone schon heute eine Meldepflicht für Barzahlungen ab 10.000 Euro.
Einschränkung der Privatsphäre oder Kriminalitätsbekämpfung
In vielen EU-Staaten existiert bereits eine Obergrenze für Zahlungen mit Bargeld. In Italien etwa liegt sie bei 3000 Euro, in Frankreich sogar nur bei 1000 Euro. Eine einheitliche EU-weite Regelung zur Begrenzung von Bargeldzahlungen gibt es allerdings nicht. Die Einführung einer solchen könnte jedoch, so die Hoffnung, die Finanzierung illegaler Aktivitäten deutlich erschweren und dadurch zur Eindämmung von Kriminalität und Terrorismus beitragen.
Das Hauptargument der Bargeld-Verfechter lautet dagegen: Wenn alle Zahlungen elektronisch stattfinden, so lassen sie sich theoretisch auch nachverfolgen. Viele Bargeldbefürworter sehen darin eine Verletzung der Privatsphäre. Laut einer Zahlungsmittelumfrage der Nationalbank stellte der Wunsch nach Anonymität für rund 85 Prozent der Bargeldbefürworter einen wichtigen Punkt dar. Dies kann beispielsweise beim Kauf von Medikamenten oder anderen, der Privatsphäre unterliegenden Produkten und Dienstleistungen, eine Rolle spielen. Als weitere Gründe für Bargeldzahlungen wurden Einfachheit und Schnelle (92 bzw. 90 %) sowie Gebührenfreiheit (87%) und Übersichtlichkeit (85%) genannt.
Diese Punkte sind jedoch keine Grundsatzfragen, sondern vielmehr abhängig von persönlichen Vorlieben und vorhandenen Angeboten. Was die einfache Handhabe und den Überblick über die eigenen Ausgaben angeht, können andere europäische Länder nämlich tatsächlich von den Skandinaviern lernen. Die fast ausschließliche Verwendung digitaler Zahlungsweisen beruht nämlich nicht auf etwaigen Verboten oder der Abschaffung großer Geldscheine. Vielmehr machen dort die hohe Akzeptanz und die vielseitigen digitalen Zahlungsmethoden den bargeldlosen Geldverkehr attraktiv.
Vorreiter Skandinavien
Schon Kleinstbeträge von wenigen Cents können in vielen Teilen Skandinaviens ganz selbstverständlich mit Karte bezahlt werden. Ob die Brötchen beim Bäcker, der Kaffee unterwegs und selbst die Fahrkarte im Bus – bei niedrigen Beträgen ist nicht einmal eine Unterschrift oder PIN-Eingabe nötig. Kontaktloses Bezahlen ist in den nordischen Ländern schon lange weit verbreitet, während es sich in Österreich um eine relativ neue und noch wenig verbreitete Möglichkeit handelt.
Und auch die in Österreich erst ganz neu und nur von einigen Banken angebotene Funktion, Geld per Smartphone an Telefonkontakte zu schicken, ist eine skandinavische Erfindung. Der Dienst wurde in einer Zusammenarbeit der schwedischen Banken entwickelt und mittels der App Swish für Verbraucher angeboten. Inzwischen nutzt sie schon die Hälfte aller Schweden über 16 Jahren. Bargeld wurde damit also auch für den Privatgebrauch weitgehend überflüssig. Selbst schwedische Banken verzichten inzwischen auf Bargeld. Nur die Hälfte der dortigen Geldinstitute gibt überhaupt noch Scheine und Münzen aus oder nimmt diese zur Einzahlung an. Die Regelung hatte schon direkte Auswirkungen auf die Sicherheit: Banküberfälle haben seitdem drastisch abgenommen.
Verbraucher entscheiden selbst
Der skandinavische Raum macht es also vor: bargeldloses Bezahlen kann sicher, effizient und praktisch sein, vor allem durch die Unterstützung zahlreicher neuer Finanzdienste -apps. Mit der Abschaffung oder Einschränkung von Bargeld muss eine Ausweitung der digitalen Zahlungsmethoden nicht einhergehen.
Die Entscheidung für oder gegen die Nutzung neuer bargeldloser Zahlungsmethoden können Verbraucherinnen und Verbraucher also durchaus unabhängig von ihrer Einstellung hinsichtlich einer Bargeld-Obergrenze treffen.